Eins vorweg. Ich halte es wie Der alte Fritz der sagte: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“.
Also jedem Tierchen sein Pläsierchen.
Aber der wunderbare Sommer 2013 Sommer brachte es wieder an den Tag. Quer durch alle Milieus lassen sich immer mehr Menschen tätowieren.
Der gemeine Bartender ist eben auch nur ein Querschnitt der Gesellschaft. Da gibt es die ohne und die mit. Die Frage ist nur warum ?
Es gab auch mal Zeiten, da reichte es, wenn sich das Leben in die Haut des Menschen fräste und dort seine Spuren hinterließ.
Man hat sich so akzeptiert wie man nun mal ist. Falten, graue Schläfen oder gar eine Glatze waren der Beweis, dass man sein Leben buchstäblich auf sich genommen hat. Der Mensch war so auf seine eigene Weise unverwechselbar.
Inzwischen gilt das Altern als Makel, genauso wie die lästige Körperbehaarung. Das Alter und das gelebte Leben soll den eigenen Körper nicht mehr zeichnen. Mit Wellness, Fitness, mit Lotionen, Skalpell und Botoxspritzen gehen wir gegen die Spuren des Lebens vor. So wurden wir glatt und gleich. Dann fragte man sich: Was unterscheidet uns jetzt eigentlich noch voneinander? Wie kann ich meinen persönlichen Unterschied sichtbar machen. Nachdem auch noch das letzte Haar entfernt wurde, ist die Leinwand nun freigeräumt. Allein was fehlt ist das individuelle Gemälde.
Die Antwort suchen viele im Tattoo-Studio um die Ecke. Und schon surrt die Tätowiernadel und bohrt sich in die Haut. Der Schmerz wird zur Mutprobe. Heldenhaft durchgehalten. Ich lebe! Gib mir Eigenes, mach mich unverwechselbar...
Meiner Meinung nach kann es nie gelingen etwas exklusives zu schaffen, wenn alle versuchen es auf die selbe Art zu tun. Selbstverwirklichung, visuelle Provokation oder Selbstdarstellung?
Wen reizt noch ein Tribal über dem Steiß, wenn alle ein Arschgeweih tragen. Wen interessiert schon die geschnörkelte Botschaft Carpe Diemauf dem Unterarm, wenn die nächste Wade schon mit der nächsten belanglosen Botschaft aufwartet.
Was ich mich auch schon immer gefragt habe: Tätowiert sich der chinesische Jugendliche eigentlich deutsche Wörter entlang der Wirbelsäule?
Okay, eine Tätowierung steht längst nicht mehr für Knast-, Puff- oder Seemannsromantik á la Sailor Jerry.
In Hollywood werden die selben Motive gestochen, wie in Berlin Hellersdorf. Inzwischen sind alle Gesellschaftsschichten gestochen. Tattoos sind in der Mitte angekommen. Der berühmte Star und sogar die ehemalige First Lady Wulff tragen eins. Ja, der Müllmann hat den Namen und das Geburtsdatum seines Sohnes auf dem Unterarm, der Anwalt trägt sein 150 Euro Tattoo unter dem tausend Euro Anzug. Die Kassiererin im Discounter trägt ihre Katzentapsen für jeden sichtbar mitten im Dekolleté.
Ich möchte nicht wissen, wie oft der noch so hart gepiercte Tätowierer mit den Augen rollt, wenn er beim nächsten Kunden mal wieder ein Einhorn oder einen Löwenkopf auf den Oberarm stechen muss.
Warum das alles? Macht man sich denn so gar keine Gedanken? Mode? Hmmm...
Den Hipster Bart und die Nerd Brille kann ich irgendwann abnehmen. Muss ich eigentlich jeden Trend mitmachen?
Auf welker Haut im Altersheim wird in den nächsten Jahrzehnten beim Waschen und Windelnwechseln sichtbar werden, wer sein Leben lang Individualist blieb oder schon immer ganz anders sein wollte als all die anderen.
Vermutlich denken die tätowierten Pfleger dann ebenso wenig eine Sekunde lang darüber nach, wie es etwas später die tätowierten Leichenbeschauer tun werden.
Gewiss, in manchen Bars passt ein tätowierter Bartender auch ganz gut rein. Keine Frage. Aber was ist später? Was ist im Alter, wenn man nicht gerade eine eigene Bar besitzt? Wechselt man in eine Hotelbar? Sehr vernünftig. Dann aber nur noch im langärmligen Hemd Drinks rühren?
Inzwischen gibt es lange Wartelisten beim Dermatologen, um sich seine teuer erkaufte Individualität wieder weglasern zu lassen. Auch schmerzhaft. Nun aber eher mit Schamgefühl als mit Heldenmut.
Es bleiben Narben. Die hatte man früher auch. Stolz gezeigt und eine Geschichte dazu.
Aber diese modernen Narben wird man dann doch lieber verstecken.
Bis bald
der nicht tätowierte Olaf